Die Architektin in unserer Familie sieht schon immer wieder zu, dass der Rest der Familie diesen Teil des menschlichen Schaffens und der Kunst nicht zu wenig würdigt. Insbesondere auf Reisen kommt es häufiger zu Begegnungen der „dritten Art“, wenn mal wieder Bilder von irgendwelchen Häuserecken, Kantsteinen oder Rohren gemacht werden müssen… aber es hat auch seine wirklich guten Seiten, da wir Nicht-Architekten an Dinge herangeführt werden, die uns sonst entgehen würden.
Bei unserem Besuch im Sommer 2014 in Venedig, durfte dann ein Besuch der Architekturbiennale natürlich nicht fehlen. Anfänglich waren wir ja ein wenig unsicher, ob die Kinder das nicht ganz schnell langweilig finden würden, aber wir wollten auch nicht für einen halben bis ganzen Tag getrennte Wege gehen, waren wir ja nur für vier Tage in der Stadt der Kanäle und Dogen.
Die Architekturbiennale gibt es seit 1980. Sie wird seit einem guten Jahrzehnt regelmäßig in zweijährigen Abständen durchgeführt – immer abwechselnd mit der Kunstbiennale, die „eigentliche“ Biennale, die es bereits seit 1895 in Venedig gibt, und die damit die älteste Biennale der Geschichte ist.
Man kann schon sagen, dass die Biennalen zu den wichtigsten Plattformen für die moderne Architekturentwicklung gehören. Dort werden neue, innovative Ideen präsentiert und diskutiert und vor allem eben auch zur Schau gestellt. Die Biennale in Venedig ist die wohl weltweit wichtigste und bekannteste Architekturausstellung und findet auch schon immer an der selben Stelle, den historischen Giardini von Venedig statt. Viele Nationen haben dort Länderpavillons errichtet, die in der Regel von bekannten Architekten entworfen wurden.
Der Deutsche Pavillon wurde bereits 1909 als dritter Pavillon auf dem Biennalegelände errichtet, aber 1938 umgebaut, was man ihm auch heute noch ansieht. Zur Zeit unseres Besuches war der Deutsche Pavillon von einem Schweizer Architektenduo zum biennaleübergreifenden Motto „Absorbing Modernity: 1914–2014“ gestaltet worden. Hierbei wurde die nationalsozialistische Architektur mit der Architektur der 60er jahre gepaart, indem sie den Bonner Bundeskanzlerbungalow maßstabsgerecht in den deutschen Pavillon eingebaut hatten. Für den erwachsenen Nichtarchitekten etwas gewöhungsbedürftig, für die Minderjährigen der 4aufeinenstreichtruppe ein toller Spielplatz mit großen Flächen und langen Fluren – ideal zum Fangenspielen und Herumalbern!
Zu jeder Biennale wird ein künstlerischer Leiter, ein übergreifender Verantwortlicher, ein sogenannter Kurator ernannt. Auch das sind meist bekannte Architekten oder andere bekannte Persönlichkeiten der internationalen Architekturszene, wie zum Beispiel der Niederländer Rem Koolhaas (Biennale 2014) oder der Brite David Chipperfield (Biennale 2012).
Wir hatten uns für diesen Tag nicht so viel vorgenommen, da wir schwer einschätzen konnten, wie viel Architektur und Ausstellung wir den Kindern (damals 9 und knappe 7 Jahre) zumuten konnten. Aber das Glück war mit uns an diesem schönen Sommertag. Wir hatten natürlich ein paar obligatorische Stopps, die von B vorgegeben waren, aber ansonsten ließen wir uns einfach treiben und erforschten die unterschiedlichen Pavillons. Der Anfang machte fast schon selbstverständlich der nordische Pavillon, in dem die sich die nordischen Länder wie so oft gemeinsam darstellten.
Die dortige Präsentation gefiel uns sowohl in ihrer künstlerischen, architektonischen als auch in ihrer thematischen Gestaltung. Unter der Leitung Norwegens beschäftigte man sich mit der Rolle der nordischen Länder und deren Architektur im Bezug auf die Unabhängigkeitsentwicklung Ostafrikas. Die Gestaltung mit vielen informativen Text- und Bildtafeln aber auch von Video- und Radionaufnahmen machten das Ganze auch für unsere Jugend sehr spannend, so dass wir dort recht viel Zeit verbrachten.
Auch der österreichische Pavillon hatte es uns ganz besonders angetan, wo so gut wie alle 200 nationalen Parlamentsgebäude, die es auf der Welt gibt als Modelle dargestellt waren. Hier versuchte man die Bedeutung dieser Gebäude als ein Ort der Macht, die vom Volk ausgeht plastisch darzustellen. Hier war unter anderem Rätselraten angesagt, welches Gebäude denn wohl zu welchem Lande gehörte und ob wir denn eventuell schon ein paar davon in der Realität gesehen hatten, wie zum Beispiel den Reichtsag in Berlin.
Auch wenn nicht alle Pavillons spannend oder besonders ansehlich waren, so genossen wir es doch in den schönen Gartenanlagen herumzustreunen und vergaßen darüber hinaus auch fast das Essen. Außer ein paar Keksen und einem Eis wanderte an diesem Tag bis zum Abendessen so gut wie nichts in unsere Mägen…
Außer den historischen Giardina erstreckt sich das Biennalegelände unter anderem auch auf das sogenannte Arsenalegelände, der ehemaligen Schiffswerft und Marinebasis Venedigs. Auch heute gehört dieses Gelände noch der italienischen Marine, wird aber teilweise während der Biennale für Ausstellungen genutzt. Nicht jedes Land auf der Bienneale verfügt über einen eigenen Pavillon und erhält dort die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Das Gelände ist extrem weitläufig und besteht aus vielen alten Industriegbäuden, die schon an sich sehenswährt sind. Wir verbrachten dort noch fast den gesamten Nachmittag, und weder den Kindern noch uns wurde es zwischen den verschiedenen Installationen und Ausstellungen langweilig. Nach sechs Stunden gaben wir dann auf, obwohl natürlich nicht alles gesehen hatten, aber irgendwann waren wir dann einfach nicht mehr aufnahmefähig. Nur unser Ältester wollte eigentlich noch nicht gehen… aber selbst wir Erwachsenen hatten zu diesem Zeitpunkt genug.
Unser Fazit:
- hier gibt es Architektur und Kunst zum Anfassen – ganz klar lohnenswert auch mit kleineren Kindern (viele der Installationen laden zum Anfassen, Ausprobieren und Erforschen, sprich Spielen ein)
- das Gelände ist so vielseitig und weitläufig, dass man dort auch einfach nur Zeit verbringen kann, wenn man mal zwischendurch eine Pause vom Ausstellungsbetrieb braucht
- unseren Kindern wurde es die gesamte Zeit dort nicht langweilig, und es ist aufgrund der Gartenanlagen und Gebäuden auch bei sehr heißem Wetter gut zu besuchen (eher angenehmer als der Rest des zentralen Venedigs)
- unbedingt auch etwas für Nicht-Architekten
Wir waren hoffentlich nicht zum letzten mal da – weder auf der Biennale noch in Venedig!
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